Die Borderline-Störung ist eine komplexe Störung der Emotionsregulation, die die Betroffenen selbst und deren soziales Umfeld an die Grenzen der Belastbarkeit führt.
Borderline-PatientInnen reagieren sehr sensibel, intensiv und langanhaltend auf emotionale Reize bei fehlender Möglichkeit der Emotionsregulation.
Dies führt zu immer wiederkehrenden emotionalen und suizidalen Krisen, unter anderem mit depressiver Zuspitzung und Störungen in drei klinischen Dimensionen. Die Borderline-Störung manifestiert sich als Störung der Emotionsregulation, als Störung der Beziehungsregulation und als Störung der Selbstfunktion.
Die meisten PatientInnen mit einer Borderline-Störung leiden an zusätzlichen psychischen Störungen. Neben oft ausgeprägten Schlafstörungen stehen depressive Störungen (Lebenszeitprävalenz: 98%) und Angststörungen (Lebenszeitprävalenz: 90%) im Vordergrund. Weitere komorbide Störungen sind unter anderem die Posttraumatische Belastungsstörung (60%), Essstörungen bei Frauen (60%), ADHS (30%) etc.
Die Borderline-Störung kommt oft gemeinsam mit affektiven Störungen vor. Sind Kriterien beider Störungen erfüllt, können beide Störungen diagnostiziert werden. 40% der Borderline-PatientInnen erfüllen die Kriterien einer komorbiden Depression, 98% leiden unter depressiven Stimmungen im Rahmen der Borderline-Störung. Die Borderline-Störung ist eine langjährig persistierende Diagnose, die trotz effektiver Behandlungsansätze wie DBT und selbst nach Remission eine gewisse Symptomlast und Funktionsbeeinträchtigung aufweisen kann, unter anderem verstärkt durch affektive Störungen.
Da einerseits komorbide affektive Störungen Verlauf und Prognose und damit Therapieplanung erheblich beeinflussen können, andererseits der Querschnittsbefund der Borderline-Störung aussehen kann wie eine Episode einer affektiven Störung, ist die Differentialdiagnostik eine große Herausforderung und beinhaltet unter anderem eine ausführliche Anamnese und vollständige Erfassung mit Hilfe operationalisierter Instrumente, um depressive Symptome im Rahmen der Borderline-Störung von einer komorbiden Depression abzugrenzen.
Eine komorbide Depression liegt vor, wenn die Kriterien einer Depression erfüllt sind, die depressive Symptomatik mindestens 14 Tage andauert, unabhängig von üblichen Stimmungsschwankungen der Borderline-Störung auftritt und nicht an externe Auslöser gebunden ist.
Depressive Stimmungen im Rahmen der Borderline-Störung, die nicht das Vollbild der komorbiden Depression erfüllen, scheinen vor allem durch interpersonelle Schwierigkeiten bedingt zu sein, die die emotionalen Schlüsselprobleme der Borderline-Störung, die innere Leere und Einsamkeit auslösen, verstärken und zu emotionaler Meidung über dysfunktionales depressives Verhalten führen und erfordern einen anderen therapeutischen Ansatz im Rahmen der störungsspezifischen Therapie als eine komorbide Depression.
Auf der störungsspezifischen Station A4 des AMEOS-Klinikums Osnabrück behandeln wir Borderline-PatientInnen mit Hilfe eines DBT-zertifizierten störungsspezifischen Therapiekonzeptes. Es ist zielhierarchisch aufgebaut und ermöglicht die Integration depressiver Verstimmungen, depressiver krisenhafter Zuspitzungen und einer komorbiden Depression in den Therapieplan.
Bei dominierender Depression, die aufgrund der Akuität, Suizidalität und Therapiefähigkeit eine störungsspezifische Adaption des Behandlungskonzeptes erfordert, besteht die Option der hausinternen Verlegung auf eine Depressionsstation mit anschließender Rückverlegung nach antidepressiver Behandlung.
Ferner bietet die DBT störungsspezifische Adaptionen (DBT-D) zur Behandlung depressiver Störungen. Das therapeutische Training von Reicherzer zur Behandlung der depressiven Störung orientiert sich an der DBT und modifiziert sie für die Behandlung depressiver Störungen durch Ergänzung störungsspezifischer Skills (siehe Manual).
Dipl. Psych. Ulrike Kröger
Psychologische Psychotherapeutin/DBT Therapeutin (DDBT)
Quellenangaben:
Bohus, M. (2019). Borderline-Störung (2. Auflage). Göttingen: Hogrefe.
Reicherzer, M. (2017). Depressive Störungen: Differentielle manualisierte Behandlung mit Skillstraining und Psychoedukation. Stuttgart: Schattauer.
Voderholzer, U. & Hohagen, F. (Hrsg.) (2020). Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art (16. Auflage). München: Elsevier.
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