Leuchtreklame Smiley in rot

Stigma-"Depression" | Ein Erfahrungsbericht

Die Erkrankung Depression wird immer präsenter in den Medien. Trotzdem gibt es immer noch zu viele Vorurteile und Stigmata, wenn es um das Thema Depression oder andere psychische Erkrankungen geht. Zu viele Menschen glauben immer noch, dass man eine Depression beispielsweise mit Schokolade oder einem Urlaub heilen kann.

Umso wichtiger ist es, dass auch Betroffene dabei helfen, darüber aufzuklären, um mehr Verständnis in der Gesellschaft zu schaffen. Psychische Erkrankungen und deren Symptomatik sollten kein Tabuthema sein, nur weil sie unbequem oder für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind. Menschen, die unter einer Depression leiden, werden immer noch anders behandelt als Menschen mit sichtbaren körperlichen Erkrankungen, werden weniger ernst genommen und verurteilt. Niemand sucht sich eine psychische Erkrankung aus und sie kann jeden treffen. Mentale Gesundheit muss Priorität werden, weil sie die Grundlage für alles weitere ist.

Jemand der mit einem Beinbruch im Krankenhaus liegt bekommt häufig Blumen und Besserungswünsche, aber ist man zur stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung in einem Krankenhaus, sieht das oft noch ganz anders aus.

Depressionen werden oft so beschrieben, dass bei genauerem Blick das Stigma aufrechterhalten wird. Die „weinende Seele“ ist nicht medizinisch, sondern emotionalisiert und verniedlicht. Das macht es schwerer die Stigmatisierung abzubauen und die Akzeptanz der Depression als Erkrankung in der Gesellschaft zu stärken. Menschen mit einer Depression sind nicht verrückt, gefährlich, „nur“ zu sensibel oder ansteckend. Es ist nicht cool oder glamourös depressiv zu sein. Es ist keine Mode. Es macht keinen Spaß. Niemand braucht eine Depression.

Eine Depression ist keine Schwäche. Es sollte kein Tabu und kein Geheimnis sein müssen Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen aufzusuchen. Es sollte nicht dazu führen, dass Menschen dann als unqualifiziert beurteilt werden oder ihnen der Zugang zu beruflichen Zielen verwehrt wird. Eine Depression sagt nichts über die Fähigkeiten oder das Potential eines Menschen aus.

Es sollte möglich sein sich für die Arbeit krankschreiben zu lassen, aufgrund einer depressiven Episode oder der ersten Frühwarnzeichen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Ohne Kolleg*innen, die glauben, man mache blau, weil man keine Lust auf Arbeiten habe. Eine Depression ist keine Ausrede. Depression ist eine Krankheit und sie kann behandelt werden. Niemand sollte sich dafür schämen müssen. Niemand sollte Sätze hören müssen wie: man müsse sich nur mehr anstrengen, sich einfach zusammenreißen und positiv denken. Wir müssen eine Depression ernst nehmen. Den Menschen zuhören. Es gibt keine Leuchtreklame auf der Stirn. Vielen Menschen sieht man eine Depression nicht an.

Vielen hilft es mit anderen Betroffenen zu reden und in den Austausch zu gehen. In einer Klinik, in der Freizeit, in Gruppentherapien, in Selbsthilfegruppen. Es hilft oft, wenn man feststellt, dass man damit nicht allein ist.

Eine Psychotherapeutin sagte mal zu mir: Sie müssen nicht warten, bis gar nichts mehr geht, um sich (stationär) behandeln zu lassen. Sie dürfen frühzeitig Unterstützung in Anspruch nehmen, damit es gar nicht erst so weit kommt.

Der Weg dahin ist oft nicht leicht, gerade wenn die Depression zunimmt, und es werden einem oft Steine in den Weg gelegt, aber meistens lohnt es sich durchzuhalten. Niemand muss da allein durch.

An die Angehörigen: Nehmt die Betroffenen ernst. Denn oft hadern sie selbst damit, sich ernst genug zu nehmen. Setzt sie nicht unter Druck: wenn etwas gerade nicht geht, geht es nicht! Als Betroffene*r ist es oft schon schwer genug, selbst (von außen betrachtet) einfachste Dinge nicht hinzubekommen. Betroffene fühlen sich allein deshalb oft schon schlecht und als Belastung. Dafür brauchen sie keine Bestätigung, sondern Akzeptanz der gegenwärtigen Situation! Und wenn ihr könnt und die Betroffenen es zulassen - begleitet, unterstützt und seid einfach da.

Und falls es als Angehöriger zu sehr belastet – auch Angehörige dürfen, können und sollten, wenn notwendig, Unterstützung in Anspruch nehmen. Angehörige sind keine Therapeut*innen oder Ärzt*innen und müssen und können das auch nicht sein.

Johanna Streich

 

Foto: Jason Leung on Unsplash.com


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